Herr Grün notiert – Paris, Hemingway und meine Kindheit. Milchreis, ein Fest fürs Leben

 

In den zwanziger Jahren lebte Ernest Hemingway für einige Zeit in Paris. Umgeben von einer ganzen Horde später berühmter Künstler wie Picasso, James Joyce, Ezra Pound und der schillernden Gertrude Stein. Für ihn eine faszinierende Zeit, der er gegen Ende seines Schriftstellerlebens noch einmal ein Buch widmete. Es heißt »Paris – a moveable feast« (Paris, ein Fest fürs Leben). Lassen wir seine scheinbare Macho-Attitüde hier einmal beiseite. Für mich ein bereicherndes Buch, das mich sehr berührt. Am beeindruckendsten finde ich aber den Titel. Ich nutze ihn heute wie ein altes Dia, durch das ich Passagen meines Lebens betrachte, besonders meine Kindheit. Dabei lasse ich Paris weg und ersetze es durch Wörter wie Ferien, Kindheit, Bolzplatz, Schwimmbad…

Nicht, dass ich eine sorgenfreie Kindheit gehabt hätte. Aber sie war voller Abenteuer. Als Kind verwischten sich die Grenzen zwischen Fantasie und Realität. Bunte Bilder und Traumsequenzen wühlten mich auf, ließen mich nachts manchmal nicht schlafen. Auch kulinarische – wobei ich als Kind nur die Freude spüren konnte und nicht rational zwischen gutem und schlechtem, gesundem und ungesundem Essen unterschied. Ich kaufte mir vom mühsam Ersparten Granatsplitter (ein merkwürdiger Name für eine Konditorenköstlichkeit), Marzipanschnitten, saure Schlangen, Ahoi-Brause-Tabletten und MilkyWay. Aber ich liebte auch Spaghetti, Zürcher Geschnetzeltes, gefüllte Klöße mit Sahne-Speck-Soße, Schnittlauch-Pfannkuchen, Nudelauflauf und vor allem Milchreis.

 

»Ich lieb(t)e Milchreis – nichts war besser als das Teufelszeug«

 

Da ist es wieder. Beim Milchreis macht es Klick. Milchreis, ein Fest fürs Leben. Ich lieb(t)e Milchreis. Die Bilder: der letzte Schultag. Hochsommer. Die Schultasche abgeworfen. Ein großer Topf steht auf dem Tisch. Eine kleine Schale mit Zimt und Zucker. Ich ziehe mich aus bis auf das Unterhemd. Ich weiß, ich werde schwitzen. Drei bis fünf Teller verschlungen. Nichts war besser als das Teufelszeug – auch nicht das anschließende Spielen auf den Wiesen, in den Hecken, dem Abenteuer Bolzplatz.

Vor einigen Tagen habe ich Milchreis gekocht. Ich liebe ihn nicht mehr so. Ich liebe die Erinnerung. Und ich habe keine Wehmut. Ich habe mehr Möglichkeiten. Aber die Erinnerung bleibt. Ich koche Mandelmilchreis. »Mandelmilchreis?«, fragt der Junge von damals neugierig. Ja. Das ist interessant. Das pappige Gefühl bleibt aus. Zumindest bei mir. Veganer Mandelmilchreis mit Vanillemark. Gesüßt mit Datteln. »Veganer Unsinn!«, sagt irgendein Fantasieloser aus meiner Vergangenheit. »Toll!«, sagt der Junge mit Begeisterung. Der Laborant, der Experimentierer, der ewig Kochbegeisterte. Ich mag diesen Jungen. Wir essen zusammen Mandelmilchreis. Schauen uns Kindheitserinnerungen an. Milchreis, ein Fest fürs Leben.

 


Herr Grün kocht leidenschaftlich. Natürlich. Vegetarisch und manchmal auch vegan. Während des Kochens kommen ihm tausend Dinge in den Sinn. Wie schmeckt Pastinakenpudding? Welche Soße passt gut zu Semmelknödeln? Kann man Milchreis auch mit Mandelmilch kochen? Was haben die Menschen im 12. Jahrhundert gegessen, wenn Besuch kam? Darüber schreibt er in seiner Kolumne »Herr Grün notiert«. Es geht um Erkenntnisse, Wissenswertes, aber auch um ungelöste Fragen.

Neugierig geworden? Hier geht es zu: www.herrgruenkocht.de